Bund gegen Anpassung
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Religion

12. Oktober 2023

Der WTC-Ersatz vom Gazastreifen

Aus KETZERBRIEFE 241

Als vor ein paar Wochen gemeldet wurde, die Hamas habe vom Gazastreifen aus wieder einmal mit Raketen Israel beschossen, und zwar fieserweise noch dazu in eine größere zivile Veranstaltung, dürfte der Großteil der Empfänger dieser Nachricht davon ausgegangen sein, daß hier wieder einmal eine der unzähligen Episoden aus dem israelisch-palästinensischen Dauerkrieg vorliege, und dem Vorfall zunächst keine größere Beachtung geschenkt haben.

Merkwürdig war er aber von Anfang an: es hatte zwischen den verfeindeten Parteien schon lange keine Kampfaktionen gegeben, und auch die palästinensischen Terroranschläge waren schon eine Weile wieder zur Ruhe gekommen. Wie kommt die Hamas auf einmal nach so langer Pause dazu, eine neue Provokation zu starten, und noch dazu eine so häßliche, daß man sich unwillkürlich an die routinemäßigen US-Massentötungen harmloser Zivilisten aus der Luft im Irak erinnert fühlt?

Noch weitaus merkwürdiger ist aber etwas anderes, was mangels Erinnerungsvermögens den meisten Zeitungslesern und den auf dem Weg zu ihren Mails mit der unvermeidlichen, "Nachrichten" genannten Propagandajauche bespritzten Internet-Nutzern leider so häufig wieder entfallen ist: während des langen und ungleichen NATO-Krieges gegen das unglückliche Syrien gelang es den Verteidigern des Landes vor einigen Jahren einmal, einen größeren Trupp von Eindringlingen gefangenzunehmen. Und siehe da, was stellte sich heraus? Unter diesen bewaffneten Eindringlingen befanden sich nicht nur israelische Offiziere, sondern auch Hamas-Kämpfer! (Sogar von gefangenen Saudis war die Rede, aber diese Mitteilung verlor sich rasch im Schwarzen Loch unserer Nachrichtenunterdrückung.) Ganz so abgrundtief kann die Feindschaft zwischen Hamas und Israel also nicht mehr sein... unsere Zeitungen mußten auch kurz ganz viel Geschwätz absondern, um diese Unerwartetheit wegzuklügeln, danach schwiegen sie natürlich eiligst zum peinlichen Thema... also scheinen die Frontverschiebungen verblüffende Vorgänge hinter den Kulissen widerzuspiegeln, zu denen die Gegend schon zur Zeit der Kreuzritter mancherlei Parallelen geliefert hat...

Wenn die jedenfalls zunächst fanatische Feindschaft der Hamas gegen Israel eine unerwartete Aufweichung erfahren haben sollte, die die neue Provokation, wenn sie wirklich nur durch israelisch-palästinensische Spannungen erzeugt wäre, höchst seltsam und unmotiviert erscheinen läßt, so ist die Todfeindschaft der Hamas gegen Syrien und die Hisbollah (welche dieses verteidigt) umso weniger bestreitbar und mindestens ebenso uralt bzw. von Anfang an gegeben gewesen. Um sie zu verstehen, muß man etwas weiter ausholen.

Hoffentlich erinnern sich meine Leser noch an den langen und erbitterten libanesischen Bürgerkrieg – diesmal einen echten! –, dessen Spuren man heute noch an mancherlei Ruinen in Beirut betrachten kann und der die allertraurigsten Wunden den Beständen des libanesischen Nationalmuseums geschlagen hat, das unglücklicherweise gerade an einer innerstädtischen Frontlinie besagten Krieges lag, und zwar ziemlich lange. (Auch Israel hat sich in diesen Bürgerkrieg eingemischt, ohne ihn jedoch zu prägen, und dabei einige Verwüstungen hinterlassen, aber vorwiegend im Süden des Landes, von dem tatsächlich ein paar Provokationen auf sein Gebiet vorgefallen waren, den eigentlich dringenderen innerlibanesischen Auseinandersetzungen zum Trotz.) Dieser Bürgerkrieg war zwischen den Religionsfraktionen des Landes ausgetragen worden (womit sich jemand, der nichts von Marx gelernt hat, zufriedengeben könnte), und diese – welche alle zuvor unter irgendwelchen Etiketten ihre eigenen Milizen aufgebaut hatten, neben denen die reguläre Armee allmählich verblaßte – waren erstaunlich zahlreich, je nach Zählung bis zu dreizehn oder sogar mehr.

Der Libanon – das Land ist nach seinem Hauptgebirge benannt, dessen Zedern schon zu Gilgameschs Zeit berühmt und begehrt waren, seine Flagge zieren und in dem Gebirge selbst so gut wie nicht mehr zu finden sind – ist und war bis vor kurzer Zeit, eben bis dicht vor dem Bürgerkrieg, ein mehrheitlich christliches Land. Dann aber gewannen die Moslems die Mehrheit, doch kaum aufgrund gewaltsamer Verluste, die sie den Christen zugefügt hatten (obwohl auch dies vor Erlangung der libanesischen Unabhängigkeit widerlicherweise vorgekommen ist), sondern aufgrund tatsächlich eherner Gesetze der Soziologie, die schon den Römern auffielen und in ihrer Sprache das Wort proletarius (salopp übersetzt: "Karnickler") hervorbrachten.

Denn die Christen, seit byzantinischer Zeit zwangsweise die Religion der Einheimischen, lagen und liegen an Ort und Stelle immer noch im Durchschnitt ihres Besitzes und Einkommens über den Moslems. Da es ihnen somit durchschnittlich besser geht, ist ihre Nachkommenschaft entsprechend geringer. Solange der Stand der Produktivkräfte und folglich der Hygiene niedrig war, konnte die höhere Kindersterblichkeit der Leute mit schlechterer Lebensqualität dieses Ungleichgewicht der Religionen, hinter denen unterschiedliche soziale Strata steckten, diese Differenz ungefähr ausgleichen; seit es Antibiotika gibt, natürlich nicht mehr, und seither gelten die Gesetze der Zinsrechnung. Dabei sind alle Religionen und Konfessionen des Landes bzw. deren Anhänger im Durchschnitt eifrig bemüht, dieses erbarmungslos zuzuknallen, weniger mit Brandbomben als mit der Uterusbombe. Nach einer Statistik aus dem letzten Drittel des verflossenen Jahrhunderts hatten die Frauen sogar der wohlhabendsten christlichen Fraktion über drei Kinder, die der ärmsten islamischen sogar über sieben. Das zerstört nicht nur die Natur...

Die statistisch bestgestellte christliche Fraktion ist am Ort diejenige der "Maroniten", d.h. der von der römischen Kirche aufgekauften und dadurch annektierten, aber in ihren angestammten Riten unbelästigten Orthodoxen; die bestgestellte moslemische Fraktion, mit einer noch etwas höheren Geburtenrate und Basis der Hamas, ist die sunnitische. Dazu kommen unter den Christen die übrigen Orthodoxen, wie wir sie verstehen (also gemäßigte Dyophysiten wie Katholiken und Protestanten auch), sowie die sich selber so nennende monophysitische Syrisch-Orthodoxe Kirche und die "extrem dyophysitischen" sogenannten Nestorianer; trotz ihrer dogmatischen Differenz verstehen sich die beiden letztgenannten (und relativ ärmsten) christlichen Konfessionen im Alltag am allerbesten (und, wie man sehen wird, nicht ohne historischen Grund). Auf islamischer Seite folgen als ursprünglich armes Landvolk den Sunniten die ihrerseits untergliederten Schiiten; aus ihnen rekrutierte sich die Hisbollah. Als dritte Religion des Landes kommen etwa in der unteren Mitte des Besitzes etc. und folglich der oberen der Geburtenrate die Drusen dazu, welche aufgrund der von den Kalifen erlittenen Verfolgungen – in einem bestimmten Teil des Berglandes fanden sie im Mittelalter Zuflucht, was ein paar Rückschlüsse auf die frühere, idyllische Besiedlungsdichte zuläßt – den Christen gefühlsmäßig (aber nicht dogmatisch) näher stehen als den Moslems; in Israel sind sie die treuesten Verbündeten der jüdischen Mehrheit, da diese sie vom islamischen Druck erlöst hat; in Syrien stehen sie natürlich auf der Seite der legitimen Regierung, ihres einzigen Schutzes vor NATO-islamischem Massenterror. Die Juden selbst sind seit Gründung Israels in Syrien zahlenmäßig ganz unbedeutend geworden, werden aber, soweit syrische Staatsbürger, von allen Assad-Regierungen tadellos behandelt. Und auch das hat einen tieferen Grund, einen tieferen sogar, als Vater und Sohn Assad zugeben oder auch nur sich eingestehen durften.

Wegen des prekären Gleichgewichts der nun einmal wie immer, solange sie noch als solche eine Rolle spielen, verfeindeten Religionen Libanons hat dieses Land eine ausgeklügelte Verfassung, welche die höchsten Ämter desselben nach Religionsproporz verteilt – eine unglückliche Lösung, wie sich zeigen sollte! Denn aufgrund des seit Jahrtausenden bekannten obengenannten soziologischen Gesetzes verschob sich dieser Proporz, seit die medizinische Versorgung auch der Armen einigermaßen effizient geworden war, und alle Konfessionen – wie auch andernorts, das hat unserem Planeten schon das Erdöl flott ausgesogen und Tier- wie Pflanzenreich irreversibel ruiniert und macht alle Menschen außer ein paar Superparasiten immer ärmer und reglementierter – sahen nicht ein, daß, wer "Antibiotika" sagt, auch "Antibabypille" sagen muß. Folglich wollten die proportional gewachsenen Moslems des Libanons den verfassungsmäßigen Proporz den neuen Verhältnissen angeglichen haben, die Christen nicht, und so nahm der Bürgerkrieg seinen Lauf, den die konfessionelle Vielfalt des Landes weiter komplizierte.

Es ist nun nicht ohne Interesse, wie diese zustandekam. Natürlich wird sie durch die starke orographische Vielfalt des Landes begünstigt, aber selbige ist nicht die treibende Kraft gewesen. Diese war am Anfang, d.h. in Spätantike und Frühmittelalter, der Vampirismus der Hauptstadt Byzanz gegenüber den Außenprovinzen ihres Reiches gewesen, nämlich Syrien (zu dem der Libanon gehörte) und Ägypten. Diese wurden gnadenlos ausgepreßt, um die Loyalität der steuerfrei gehaltenen und dadurch zahlenmäßig ungeheuer anschwellenden Hauptstadtbewohner zu erhalten, was die Loyalität der leidenden Peripherie nicht eben stärken konnte.

Was tut man im christlichen Totalitarismus, wenn man dem Kaiser wirkungsvoll den Gehorsam aufkündigen bzw. besagten Kaiser wirksam diskreditieren will? Man erklärt ihn und seine Anhänger bzw. Bischöfe zu Ketzern, braucht dann aber, damit das einheitlich klingt, Führer unter den örtlichen Bischöfen, was nur gelingt, wenn die allgemeine Erbitterung flächendeckend und intensiv genug ist. Das war sie; und nun war nichts leichter zur Vereinheitlichung der Opposition, als den jeweils letzten dogmatischen Schwenk nicht mitzumachen, d.h. dem Beschluß des jeweils letzten Konzils (das ja vom Kaiser abhing), die Anerkennung zu verweigern. Das war im Falle Syriens das von Ephesus, Ägyptens das von Chalkedon.

Um es kurz zu machen: die "Nestorianer", welche die Anerkennung der Dogmen von Ephesus verweigerten, hatten als Pioniere peripheren Widerstands die härteste Verfolgung zu erdulden; viele flohen, und ihr widerstandswilligster Kern, dessen Mitglieder zugleich am wenigsten zu verlieren hatten, entstammte folglich meist den am übelsten behandelten Schichten, und das war damals die arme Bauernschaft. Analoges gilt für die zweite, anti-chalkedonische (= mono- oder miaphysitische) Verweigerungswelle, deren Schwerpunkt in Ägypten lag, die aber auch auf Syrien ausstrahlte. (Ohne beide wäre die arabische Eroberung des südlichen Mittelmeers und Nahen Ostens wohl nicht möglich gewesen.) So entstand neben der koptischen Kirche die "orthodoxe" (aber anti-chalkedonische) syrische Nationalkirche (die also nicht anti-ephesisch ist, aber der auch anti-ephesischen von der verborgenen Motivation her gleich); die relative Verstädterung des Libanon (nämlich vor allem an dessen Küste) erklärt den relativ hohen Anteil der dortigen Christen an dem, was wir "orthodox" nennen (nämlich zugleich pro-ephesisch wie pro-chalkedonisch; damals hieß dieser Teil vor Ort "melkitisch" [von arab. malek "König"], d.h. "kaisertreu"), soweit es sich um Christen vor der "katholischen", d.h. römischen Abspaltung von 1054 handelt. (Ich kann nichts dafür, wenn die Geschichte kompliziert ist, und habe sie schon auf das Wesentliche zusammengestrichen.) Die dadurch entstandene soziale Zuordnung der Konfessionen hat sich in der Tendenz zäh bis heute erhalten.

Aber sie wurde von der arabischen Eroberung (die sehr leicht fiel, da der syrische Teil des byzantinischen Heeres noch auf dem Schlachtfeld zu den Arabern überging und daher hinterher in seiner Religionsausübung und mit Sondersteuern zunächst kaum belastet wurde – geringer als unter den byzantinischen Kaisern war beides allemal) noch einmal überlagert. Sobald sich im Laufe der Zeit herausstellte, daß mit einer byzantinischen Rückeroberung nicht mehr zu rechnen war bzw. die unter arabische Oberhoheit geratenen "Eroberten" nicht mehr zurückkonnten (das geschah etwa mit dem Dynastiewechsel im östlichen Kalifat, der auch damit zusammenhängt, von Omayaden zu Abbasiden), begannen diese Belastungen doch zu wachsen, und damit wuchs auch die Menge der christlichen Konversionen zum Islam. Aber für die Araber bzw. Moslems wuchsen sie auch, zumindest die weltlich-geldlichen; bloße Eroberer konnten sie jetzt nicht mehr sein, diese schönen Zeiten waren vorbei. Schließlich erreichte die Aussaugung des Volkes, diesmal auch, zumindest zunehmend, des städtischen, fast wieder byzantinisches Niveau, und deshalb bildete sich in jenem, anknüpfend an den Dynastiewechsel, aber diesen religiös aufdonnernd – denn das bot sich für besagten Zweck sehr an – eine neue innerislamische Opposition in den bedrängten Schichten, die mit besagtem zeitgemäßen Mittel die Legitimität ihrer Kalifen, später Sultane bestritt und deshalb dramatische Vorfälle in der Geschichte dieser Machtkämpfe in die metaphysische und mythologische Sphäre zerrte – die Schiiten also. Selbstverständlich bekamen sie dafür den Zorn ihrer Ausbeuter und Machthaber zu spüren, blieben aber häufig widerspenstig und steigerten ihre Selbstbehauptung gegen die gierige Zentralgewalt, wenn diese grausam wurde, symmetrisch bis zum Fanatismus, der aufgrund des Kontextes wieder religiöse Färbung haben mußte. Das geschah in mehreren Wellen, und relative Stillwasserzonen wurden dabei von den Verfolgten natürlich geschätzt – der Nordlibanon war damals eine solche, und das trug zur dortigen Schiitenkonzentration bei.

Nun bildeten sich im Laufe der Geschichte aber da und dort auch schiitische Kalifate oder Herrschaften, und dann wurden bei gleicher Entwicklung, die selten auf sich warten ließ, wieder neue religiöse Einkleidungen des (vorwiegend bäuerlichen) Widerstands nötig, im Iran mit seiner mittlerweile schiitischen Herrschaft der Bahaïsmus, am nördlichen Rande des fatimidischen (und insofern auch schiitischen) Kalifenreiches, d.h. in Syrien, eine neue Abspaltung des Schiitentums, jener Zweig des Alewitentums, der nach dem Namen seines Gründers "Nussairier" genannt wird (und in dem der von allen Schiiten als eine Art Superprophet und zugleich Erzmärtyrer – das legt die Schiene zu Jesus – verehrte Ali zu echter Gottähnlichkeit aufgerückt ist und auch noch, ein Wink mit dem Zaunpfahl, am gleichen Tag des Jahres wie Jesus geboren worden sein soll). Nicht nur die Familie Assad gehört dieser Konfession an, sondern auch der wichtigste Teil der syrischen Beamtenhierarchie – aber nur etwa 3% der Syrer. Das ergibt eine unglückliche Basis.

Der Leser erstaunlich gleichgültiger Rasse und Geschlechts wird bemerkt haben, daß der Anteil der Glaubenslast und damit Irrationalität bei den vorwiegend bäuerlichen Widerstandsbewegungen gegenüber der Ausgangsreligion, wie irrational auch immer diese schon sei, entweder zugenommen hat oder wenigstens das Interesse an groben Irrationalitäten der Ausgangsreligion wie z.B. Einzelheiten der metaphysischen Anatomie Jesu schier krankhaft gesteigert hat. Er könnte daher in den Trugschluß verfallen, diese Irrationalität gehöre zur Substanz der notgedrungen, weil zeitbedingt bzw. umstände- und gewaltbedingt religiöse Form annehmenden Widerstandsbewegungen. Doch diese Beobachtung gilt entweder nur formal oder nur für die ersten Generationen dieser Bewegungen, solange sie die Gewalt gegen sich haben. (Erlangen sie sie dagegen und erreichen ihr heimliches soziales Ziel nicht bzw. verlieren es schon auf dem Weg zur Macht, hebt das ganze Spiel von vorne an, was hier aber nicht interessiert, da das in Syrien und Libanon nie eintrat.) Hat sich dagegen das Verhältnis zwischen Bedrückten und Bedrückern nach einer Weile stabilisiert, so können wir regelmäßig die genau entgegengesetzte Beobachtung machen: unbeschadet der erweiterten Irrationalität des Inhalts ihrer Konfession, an den zu glauben sie vorgeben oder sich sogar zu glauben einreden, werden die Mitglieder diskriminierter, weil zur bestehenden Macht offen oder latent oppositioneller Religionen immer rationaler und gutartiger, zumindest, wenn die erlittene Diskriminierung nicht völlig extrem ist und dann nur noch die Option des Fanatismus übrigläßt. So werden die Mitglieder dieser zurückgesetzten (oder sogar richtig geschurigelten) Gemeinschaften mit der Zeit die – relativ oder absolut – besten Träger von Vernunft und Menschlichkeit in ihren Ländern, die Alewiten in der Türkei (man denke etwa an Aziz Nesin), die Bahaï (und Zoroastrier) in Persien, und eben die Nussairier in Syrien – denken wir der Fairneß halber auch an die Juden der christlichen Länder, die nach dem Ende ihrer kontinuierlichen fast grenzenlosen Schikanierung im calvinistischen Holland einen Spinoza, nach deren Ende im Rest Westeuropas Marx, Freud und in Fernwirkung Trotzki hervorbrachten und sich Hitlers und dessen Geistesverwandter Haß gerade durch ihre durchschnittlich dem Rest überlegene und dadurch ideologiestörende intellektuelle und moralische Urteilskraft zuzogen, oder an die zwar schon lange weder ermordeten noch gepiesackten, aber sehr isolierten Parsen Bombays, deren erdrückende Mehrheit heute verläßlich ungläubig ist. Für ein Syrien ohne religiöse Scheußlichkeiten, wie sie die US-gepäppelte ISIS endlich nachholen durfte, sind geborene Nussairier als Führer nun einmal durchschnittlich am besten – man denke z.B. daran, wie Assad sen. sein Land zum größten Ärger der USA gerade noch mit Geschick und Festigkeit vor dem finstersten, grenzenlosesten und blutigsten Religionsterror bewahrt hat. Er konnte das trotz seiner Minderheitsherkunft, weil er seine sozialen Versprechen im wesentlichen einhielt – Syrien gehört zu den wenigen Ländern, in denen ich weder Slums noch einen einzigen Bettler gesehen habe, auch nicht in den größten Städten, und ich war in fast allen Ländern der Welt. Da kann man sich auch Toleranz und Terrorzügelung gestatten, so tief die Mullahs die entsprechend üblen Neigungen auch in vielen Hirnen verankern und des Menschen schlechteste Eigenschaft, die Projektionsneigung, dafür nutzen konnten; was Projektion im Sinne der Psychoanalyse ist, und wie übel sie ist, da jede Projektion das ganze Auschwitzpotential enthält, egal ob sie gegen "Hexen", Juden, Russen oder inzwischen auch angebliche "Rechte" gerichtet ist, ist dem verständigen Leser der Originalfassung von Reichs "Massenpsychologie des Faschismus" bekannt und muß hier nur in Erinnerung gerufen, aber nicht erläutert werden. – Diese relative Schonzone vor dem religiösen Wüten haben die NATO-Alumnen der ISIS zerstört, unsere Presse hetzt gegen besagte Schutzzone, und nur die Hisbollah verteidigt sie von ihrem kleinen nordlibanesischen Gebiet aus, während die Bundeswehr, zu deren Schiffskommandanten der machtarme libanesische Präsident immer wieder katzbuckelnd antanzt (z.B. als ich in Beirut war), um dort seinen Diener zu machen, unsere Steuergelder nutzt, um besagte Hisbollah von ihrem Waffennachschub abzuschneiden, d.h. die Waffen für den lange Zeit einzigen äußeren Schutz so vieler Syrer vor den von außen eingeschleusten religiösen Vergewaltigern und Halsabschneidern ("Rebellen"). Da bleibt, welcher Haß in ihr zu Recht oder Unrecht auf Israel bestehen mag, der Hisbollah wenig Energie übrig für Angriffe auf dieses.

Ich will die Hisbollah nicht idealisieren, sie enthält ohne Zweifel üble religiöse und, da ihre die Religion der 4. Sure ist, auch antisemitische Bestandteile. Aber ihre Lage zwingt sie, besser zu sein als sie sein möchte. Ich jedenfalls habe mich – es mag Zufall im Spiel sein – an keiner Ecke der islamischen Welt (deren Hardcore-Teile ich sowieso stets strikt gemieden habe) so wohl und sicher gefühlt wie im Hisbollah-Teil des Libanon, und ich glaube, die von Fanatismus, den ich sogar im Lande Atatürks bisweilen beobachten konnte, stets freie Haltung, die mir seine bedrängten Bewohner entgegenbrachten (einmal war sogar Gefechtslärm zu hören, die Grenze war nahe), war aufrichtig. (Natürlich kann ich nicht ausschließen, daß spätere Beobachtungen diesen Eindruck Lügen strafen, aber so war es jedenfalls – und man hatte mich noch auf dem Flug nach Beirut eindringlich vor diesem Landstrich gewarnt!)

Aber wieder zurück vom Subjektiven zum Objektiven. Der heftige Haß der Hamas gegen die Hisbollah (der sich indirekt auch zahlreichen Wandschmierereien an den Wänden der Häuser Beiruts entnehmen ließ, ebenso gegen Assad) dürfte gerade in diesem Aspekt der Hisbollah seinen Grund finden und den erst recht unrein motivierten Haß gegen Israel überdecken. (Das heißt nicht, daß er bei veränderter Kräftekonstellation nicht reaktiviert würde.) Aber Israel ist, solange es von der herrschenden Klasse der USA gebraucht bzw. benutzt werden kann, unverwundbar; das imponiert autoritätshörigen Charakteren wie den Erz-Moslems der Hamas, so erz-antisemitisch sie ist ("Hamas, Hamas, Juden in das Gas!", lautete ihr Slogan auf etlichen Demonstrationen, dessen restlose Straflosigkeit bei dichtem Schweigen der sonst so aufgeregten Einheitspresse nur jemanden wundern kann, der der fdGO die Lügen aus der Hand oder, da sie so sehr stinken, sozusagen ekellos aus dem Arsch frißt), nun eben doch. (Meine örtliche Einheitszeitung, die BZ, ließ einmal durchblicken, Kader des ISIS seien nach etlichen Folterungen dem US-KZ von Guantánamo entnommen worden; da nun der ISIS ausschließlich gegen Völker und Regierungen gewütet hat – und ohne das heroïsche Trump-Intermezzo wohl weiterwüten würde –, welche die Regierung ihrer eigenen Folterer verleumden und für vogelfrei erklären läßt, würde das bedeuten, daß autoritätshörige statt zur Wahrheit und Leistung verpflichtete Menschen, wie das echte Moslems – schon der selbstgewählte Name ihrer Religion verkündet dieses Programm – ja sein müssen, offensichtlich bereit sind, auch in den Dienst ihrer Feinde zu treten, und zwar begeistert, wenn diese sie nur sadistisch genug verdroschen haben. Insofern ist eine vorübergehende Allianz Hamas/Israel im Dienste der USA – Israels, weil es muß, der Hamas aus dem genannten Grund – gar nicht so unvorstellbar, wie es oberflächlich scheint, und außerdem ist sie ja durch obige glückliche Gefangennahme eines Eindringlingstrupps belegt. Die Hamas nimmt den Juden das übel, was ihnen alle Antisemiten übel nehmen, weil sie es selber nie aufgebracht haben: die Würde in der Schwäche, und das wird sich bei autoritätshörigen statt der – wie schwierig auch immer ermittelbaren – Wahrheit verpflichteten Menschen nie ändern; aber Syrien und in der Folge der Hisbollah nimmt sie deren religiöse Toleranz und damit aufklärungsaffine Position übel, und das ist als eine Art Verrat aus den eigenen Reihen (denn von der Religion abgenabelt haben sich syrische Mehrheit wie Hisbollah auch nicht) gewissermaßen noch schlimmer, besonders, wenn die mit der Aufklärung und damit Wahrheit (deren Gegensatz nicht der Irrtum ist, sondern die Lüge, besonders die gewaltgestützte Lüge) noch so schwächlich sympathisierende Seite, die von der eigenen, also gediegen islamischen damit abfiel, auch noch schwach ist bzw. schwach geworden ist wie alle nicht restlos stinkigen arabischen Staaten nach der Zerstörung ihrer sowjetischen Stütze, die ihnen jede Halbheit erlaubte, welche sich nun aber rächt.

Denn auch Syriens Tendenz zur Aufklärung war nur eine halbe Sache, und dafür wird nun die Rechnung präsentiert. Obwohl das ohne ernste Probleme zwischen beiden Teilen gegangen wäre, hätte Syrien jederzeit und vor allem rechtzeitig einen vorteilhaften Frieden mit Israel schließen können (auch wenn die US-Regierungen diesen extrem ungern gesehen hätten); dazu hätten sie aber das islamische Lager, das solche scheußlichen Eiterbeulen und Stinkestaaten wie Saudi-Arabien einschließt, verlassen müssen, dessen einzige Klammer seit der Gründung Israels gar nicht die Lehre Mohameds im engeren Sinne, sondern nur dessen Antisemitismus (im geläufigen, an sich absurden Sinne des Wortes) ist. Es hätte gegen alle dann natürlich ausbrechenden inneren Widerstände mit Festigkeit erklären müssen, daß die Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (natürlich nicht nur der Juden, sondern bei Bedarf auch der Scientologen, Zeugen Jehovas usw.), d.h. die religiöse Toleranz, über jeder Religion steht und auch ein Staat, der diesen Grundsatz festhält, in jedem Fall, solange dieser jenen selber befolgt, Israel näher steht als Saudi-Arabien u.ä., mit denen er nichts gemein hat und sich nicht durch welche Verbindung mit diesem auch immer beschmutzt. (Das hätte übrigens auch Israel in die Pflicht genommen, das auch kein lupenreines Vorbild für die Völker der Welt abgibt!) Natürlich hätte dieser Kurs innere Kämpfe ausgelöst, die zu bestehen gewesen wären (nämlich mit Hilfe des christlichen Fünftels und dem aufgeklärtesten Drittel der in den Islam hineingeborenen eigenen Bevölkerung, was früh genug nach dem Weltkrieg in einer hoffnungsvolleren Menschheit sehr viel aussichtsreicher gewesen wäre als in den trüben späteren Zeiten) – aber hätte das Ergebnis nicht auch im schlimmsten Fall (noch konnten sich ja, anders als gegen den beispielhaften Taraki auf viel ärger von innen bedrängtem Posten, die USA nicht paramilitärisch einmischen, so wenig wie z.B. in Süd-Jemen) nicht schlimmer aussehen können als das seitherige, aber dafür im Erfolgsfall regelrecht strahlend und zu Hoffnungen für die ganze Welt berechtigend? Halbe Sachen gehen nie gut aus, und eine viertelste Aufklärung schon gar nicht...

Daß die Hamas als Kraft der Finsternis mit anderen Kräften der Finsternis, jetzt also den USA, gemeinsame Sache macht, ist nur natürlich. Mit Israel wird sie das nur so lange tun, wie es als US-Werkzeug fungiert, z.B. gegen Syrien. Und so schoß sie in möglichst häßlicher Weise ihre Raketen nach gemeinsamem Plan aus dem Gazastreifen, um den USA die Sprengung eines zweiten WTC zu ersparen – ein solches nützt sich ab, und schon das erste war sehr verdächtig. (Es fiel z.B. genau nach dem Ingenieuren der einschlägigen Sparte wohlbekannten "Tortenmuster" zusammen, mit dem Hochhäuser in dicht bebauten Gebieten von innen gesprengt werden, um Abrißkosten zu sparen, und nicht wie ein von einem Flugzeug getroffenes Hochhaus; auch sonst war sehr viel faul.) Während sonst die USA sich in die nicht eben seltenen israelisch-palästinensischen Duelle niemals einmischten, am wenigsten direkt, soll dagegen der jetzige Raketenabschuß der abenteuerliche Vorwand für die militärische Endlösung der Iran-Frage sein: die abgefeuerten Raketen sollen nämlich von dort stammen, genauso, wie die m.o.w. echten islamischen Knallköpfe bzw. van der Lubbes, die mit ihrem Leihflugzeug die Kulisse für die WTC-Sprengung abgaben (wahrscheinlich auf US-Wunsch von Saudi-Arabien gesteuert, dafür spricht die Nationalität des sagenhaften bin Laden), irgendwie mit Afghanistan verbunden gewesen sein sollten, weswegen jenes zu zerstören und zu besetzen sei, allerdings nur, um nebenbei auch noch den Irak zu liquidieren, der damit zwar nun rein gar nichts zu tun hatte, aber in den trägen Köpfen der dummen Mehrheit damit über religiöse wie geographische Schienen assoziativ vermanscht werden konnte (was gerade recht empörten US-Leserbriefschreibern kurz vor dem Angriff sehr zu Recht auch auffiel, aber gegen die mehrheitlichen Orwellschafe nichts bewirken konnte). Und nach analogem Vorwand soll nun auch das – häßliche, aber klein-bürgerliche statt monarchische und dadurch nicht restlos stinkende – persische Mullahregime zügig endgelöst werden, nachdem es seine restrussische Stütze auf ähnlichem Wege verloren hat.

Für diesen widerlichen Plan wurde die Hamas benötigt, und sie machte mit. Was verspricht sie sich davon? – Ein Stück Israel oder noch mehr, auf jeden Fall wieder ein Stückchen Endlösung der Judenfrage. Denn der einzige aufrichtige US-amerikanische Freund mit Macht, den Israel jemals hatte, war Trump, und er bot beiden Seiten den erträglichsten Frieden an, der in dieser Weltecke zu haben ist; aber die Palästinenser welcher Partei auch immer nahmen ihn nicht an, da sie wohl wußten, welch schreckliche, jugoslawienähnliche Rache ihnen drohte, wenn sie es täten (der einzige israelische Fast-Staatschef, der ähnliches vorhatte, Rabin, starb ja auch, kurz bevor er gewählt werden konnte, durch ein recht mysteriöses Attentat), sobald Trump sie nicht mehr schützen könnte – und israelische Heißsporne zum Vollzug dieser Rache wären nicht schwer aufzutreiben gewesen.

Wird Israel für sie überflüssig, was nach Rest-Rußlands Vernichtung schnell eintreten kann, dann können sich die USA sogar als (faktisch antisemitische) Wohltäter der arabisch-islamischen Welt aufspielen – "unsere", d.h. ihre Medien werden mit "Erklärungen" und Beifall am allerwenigsten sparen, wir kennen das ja zur Genüge z.B. von AIDS, dessen flächendeckende bzw. routinemäßige Testung "faschistisch" sein sollte, die des dagegen lächerlich harmlosen Corona auch im drückendsten und absurdesten Ausmaß dagegen ganz und gar nicht – anything goes. Und so könnte es mit der Vernichtung Israels auch werden, die iranische Endlösung einer weiteren Endlösung vorangehen – wer weiß?!

Einfach nüchtern abwarten statt vorher urteilen – als ich nach der Besetzung Grenadas das Ende des Ostblocks "in drei bis fünf Jahren" vorhersagte, wollte das auch keiner glauben (im Pentagon gewiß, aber da kam ich ja einerseits nicht rein, und andererseits brauchte man mich dort dafür nicht). Einfluß nehmen läßt sich jetzt, wo seit Hitler jede ernstzunehmende Selbstorganisation der Besitzlosen zerschlagen ist und diese gläubiger und demoralisierter sind als die durchschnittlichen Leibeigenen des finstersten Mittelalters, sowieso nicht. Erst langsam, sehr langsam wie in den zähen Jahrhunderten bis zu Reformation und Neuzeit, muß das Volk gegen die noch ungewohnten Medien, die die alten Kanzeln abgelöst haben, wieder zu Besinnung und eigenen Wortführern kommen.

Fritz Erik Hoevels

P.S. Nach neueren Meldungen scheint die offenbar eingefädelte Geschichte noch übler, das Zusammenspiel zwischen Hamas und israelischer Regierung, um den armen USA die Inszenierung eines zweiten WTC-Attentats im eigenen Land zu ersparen, noch enger zu sein, als sich das auch die kühnste Phantasie Außenstehender ausmalen konnte. Denn wenn die immerhin militärerfahrene israelische Bloggerin Efrat Fenigson mitteilt, daß die entscheidende Hamas-Truppe mit allen ihren Waffen die heißeste Grenze der Welt unbeachtet und unbelästigt überschreiten und sogar ca. 40 km weit in Feindesland eindringen konnte, um dort ein möglichst abstoßendes Massenattentat durchführen zu können, dann ist es extrem schwer, zu einem anderen Schluß zu kommen als den naheliegendsten – denn Israel ist von den USA bzw. ihrer mehr faktischen als formalen Regierung mindestens so hilflos abhängig wie die saudische oder die deutsche und hat daher auch bei den allerübelsten imperialistischen Schweinereien wie der Verminung der Häfen Nicaraguas, das ihm niemals das geringste zuleide getan hat, ohne merkbaren Widerstand mitgemacht.

13.10.2023

P.S.S. Eine eigenartige Ergänzung hierzu liefert das Internet-Nachrichtenmagazin TKP.at vom 13.10.23. Der "Starjournalist" Seymour Hersh will dort herausgefunden haben, daß der israelische Ministerpräsident Netanjahu nicht nur jahrelang alles getan hat, um der mit Recht übelbeleumdeten Hamas gegenüber der angeseheneren PLO zu mehr praktischer Bedeutung und innerpalästinensischem Ansehen zu verhelfen und ihr sogar mancherlei saftige Finanzierung zuzuschanzen, sondern auch in dem kritischen Zeitraum alle israelischen Grenztruppen vom Gazastreifen, also der heißesten Grenze der Welt, abgezogen zu haben, um eine drittrangige Provokation illegaler israelischer Siedler auf der Westbank vor militanten Störungen zu schützen: – Hier drängt sich die Frage auf: welche Armee der Welt gehorcht so einem Wahnsinnsbefehl? Und hätte die nicht ganz kleine israelische Armee für den angeblichen Zweck nicht andernorts noch ein paar Hundertschaften (mehr waren überflüssig) übrig gehabt? – Logischer ist doch, daß sich in Israel das seltsame Verschwinden der eigenen Grenztruppen an der wichtigsten Stelle herumgesprochen hat (s.o.), was nicht mehr zu vertuschen war, ganz so, wie nach einer Woche die verzweifelten Bemühungen unserer Presse aufgegeben werden mußten, die Kölner Silvesternacht zu verschweigen, da dies das kleinere Übel gegenüber einem um sich greifenden Verständnis der Funktion der vereinheitlichten Lügenpresse geworden war, und jetzt relativ harmlos mit der Marotte einer Einzelperson motiviert werden soll, und wer das nachbetet, selbige Einzelperson gar insiderisch "Bibi" nennt, sich schrecklich klug fühlen soll.

 

Nachtrag Februar 2024
Siehe auch den Artikel "Vom KETZERBRIEF zum STERN" in KETZERBRIEFE 242/243 (Ausgabe Februar/März 2024):

Ketzerbriefe 242 243

 

Interessierten empfehlen wir die KETZERBRIEFE Sonderausgabe 23 zum Golfkrieg (Ausgabe März 1991):

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